Freiwilliges Ökologisches Jahr
in Schleswig-Holstein

Rede von Wolfgang-Dieter Glanz zur Verabschiedung von Hinrich Goos

Die nicht gehaltene Abschiedsrede

Leider bin ich aus persönlichen Gründen nicht in der Lage gewesen, an der Verabschiedung von Hinrich Goos als verantwortlichem Betreuer des Freiwilligen Ökologischen Jahres (FÖJ) in Schleswig-Holstein teilzunehmen.

Da ich vor langer Zeit das außerordentliche Vergnügen hatte für die Konzeptionierung und Implementierung des FÖJ im damaligen Umweltministerium verantwortlich zu sein, wäre es mir ein persönliches Anliegen gewesen, einige persönliche Worte an Hinrich und das Jugendpfarramt und die damalige Nordelbische Kirche bzw. jetzige Nordkirche zu richten:

Vielleicht besteht die Möglichkeit Hinrich und das FÖJ – kann man sich jeweils eins ohne das andere überhaupt – vorstellen, im Nachhinein in der gebührenden Form zu würdigen.

Schleswig-Holstein ist zum FÖJ durch eine Verkettung glücklicher Umstände gekommen.

Die damalige Bundesregierung unter dem damaligen Bundeskanzler Helmut Kohl suchte ein „nichtschwarzes“ Bundesland für die Erprobung eines neuen Freiwilligendienstes im Natur- und Umweltschutz. Schleswig-Holstein war durch die Landtagswahl von 1988 unter dem Ministerpräsidenten Björn Engholm „rot“ geworden und bot sich daher durchaus an.

Das damalige Kultusministerium hatte kein großes Interesse an dem Projekt und so fiel dessen Umsetzung an das damalige Umweltministerium, das für das gesellschaftliche Change Management in Richtung eines größeren Umweltbewusstseins damals nicht alleine auf Rechtsvorschriften sondern auch auf strategische psychologische und pädagogische Ansätze zur Verbesserung der Akzeptanz des Natur- und Umweltschutzes setzte.

Neue Aufgaben in komplexen Strukturen gehen entgegen aller abstrakten Organisationslehren vor allem dahin, wo es eine innere Beziehung zum verfolgten Anliegen gibt und wo sie erledigt werden. So fiel die Aufgabe dort an mich als relativen Benjamin und meinen hervorragenden und erfahrenen Mitarbeiter Klaus Witkiewicz.

Auf Grund der vorherigen „Hängepartie“ im Schwesterressort hatten sich innerhalb der schleswig-holsteinischen Verbandsszene informierte Interessierte informell selbstorganisiert und teilweise in Verfolgung spezifischer Eigeninteressen verschiedene konzeptionelle Ansätze entwickelt.

Nach kurzer verwaltungsinterner Einarbeitung haben wir uns richtigerweise für einen heutzutage etwas selbstverständlicheren breiten Beteiligungsprozess entschieden. Auch wenn wir anfänglich durchaus nicht ganz frei von Ängsten waren, ob wir den möglichen Interessenkonflikten standhalten könnten und ob uns das Ganze nicht entgleiten würde, wurde die weitere Arbeit zu einer beglückenden und bereichernden Erfahrung in unserem Verwaltungsleben.

Durch glückliche Fügung kam eine Mischung kluger und engagierter Beraterinnen und Berater der Verwaltung zusammen, die auch bei persönlichen Interessenlagen immer doch der Sache und dem gemeinsamen Ziel den Vorrang gaben. Wir hatten in der gesamten Gruppe keinen „Nörgler“, keinen „Störer“, keinen „Oberbedenkenträger“.

Passend zu der damaligen gesellschaftlichen Aufbruchsstimmung gab es in der Arbeitsgruppe eine klare gemeinsame Zielvorstellung ein modellhaftes Projekt für junge Menschen in möglichst kurzer Frist in Schleswig-Holstein gemeinsam zu realisieren.

Diese äußerst positive Erfahrung hat mich für mein weiteres Verwaltungshandeln geprägt und zum überzeugten Anhänger kreativer partizipativer Verfahren werden lassen.

Wir waren uns schnell alle einig, dass wir im Mittelpunkt des Projektes nicht die „Hand- und Spanndienste“ für die jeweilige Einsatzstelle betrachten wollten sondern die durch die Arbeit und die sozialen Erfahrungen bestimmte Persönlichkeitsentwicklung der jungen Menschen und die Verfestigung ökologischer Grundmotive und Grundwerte bei Ihnen.

Daraus ergaben sich dann wie von selbst die notwendigen Anforderungen an die Einsatzstellen, die notwendigen Begleitstrukturen, die Zuordnung zum neutralen Jugendpfarramt und die Finanzbedarfe.

In einer erstaunlich kurzen Zeit hatten wir ein konsensuales Konzept, die notwendigen politischen Beschlüsse zur Legitimation des Vorhabens, ein Anforderungsprofil für die zentrale Betreuung und konnten mit der Implementation des Gesamtsystems beginnen.

Auf Grund einer weiteren glücklichen Fügung stand genau zum richtigen Zeitpunkt die „eierlegende Wollmilchsau“ für die zentrale FÖJ-Betreuung zur Verfügung.

Wir hatten eine auf dem Arbeitsmarkt eher seltene Mehrfachqualifikation verlangt, bei der neben den naturwissenschaftlich-ökologischen Kompetenzen und ein entsprechendes Engagement im Rahmen des Berufslebens auch soziale und pädagogische Kompetenzen verlangt.

Mit der völlig einvernehmlichen Auswahlentscheidung zu Gunsten von Hinrich hatten wir dieses seltene „Kompetenzbündel“ gesucht und gefunden.

Eine den Aufgaben, den Anforderungen und der Verantwortung und Selbstständigkeit entsprechende tarifliche Eingruppierung war ebenfalls einvernehmlich. Diese sollte im Projekt möglichst auch in Zukunft nicht aufgegeben werden, wenn die erreichten Qualitätsstandards gehalten werden sollen.

In der Folge wurde Hinrich dann auch zum „Mister FÖJ“ in Schleswig-Holstein und hat dieses mit seinem Team und dem FÖJ-Ausschuss zu einem Erfolgsmodell werden lassen und dieses inhaltlich immer weiter entwickelt und zukunftsfähig gehalten.

In Anerkennung seiner Arbeit wurde Hinrich im Mai 2001 zum Vorsitzenden des BAK-FÖJ auf Bundesebene und übernahm damit bis November 2012 auch Verantwortung auf Bundesebene.

Auf der Bundesebene hat er durch seine Mitbegründung des Bundesarbeitskreises FÖJ (BAK-FÖJ) und sein Wirken als Vorsitzender in der genannten Zeit dort zusammen mit seinem Vorstand maßgeblich den zahlenmäßigen und qualitativen Ausbau, die notwendige Gesetzgebung und die sinnvolle Internationalisierung des FÖJ vorangetrieben.

Das auch für das FÖJ geltende Leitbild der Nachhaltigkeit umfasst auch den globalen bzw. eine Welt – Aspekt.

Ohne das Wirken des BAK-FÖJ gebe es keinen § 4 (für das FÖJ) im Jugendfreiwilligengesetz, der den Markenkern des ökologischen Freiwilligendienstes garantiert und die Einsatzstellen im Bereich der Bildung für nachhaltige Entwicklung ab 2008 neu erwähnt.

Nur so ist es zu verstehen, dass das FÖJ verschiedenste „Farbkonstellationen“ auf Regierungsseite im Lande glücklich überstanden oder überlebt hat und trotz aller Haushaltszwänge bisher nicht endgültig geopfert wurde, auch wenn derzeit die Bildung für Nachhaltigkeit keine Hochkonjunktur mehr zu haben scheint.

Ich wünsche dem FÖJ auch in Zukunft die anhaltende Unterstützung aller Parteien und Fraktionen, die im Lande Verantwortung getragen haben, tragen oder zukünftig tragen werden und aller denkbaren Regierungskonstellationen sowie eine wohlwollende Begleitung durch das jeweils federführende Haus.

Wer sich von den zugrunde liegenden Ideen und Werten anstecken lassen will, wird das FÖJ in Schleswig-Holstein schätzen und fördern.

Wer sich davon nicht anstecken lassen will hat keine Herz und verrät eher fehlendes ganzheitliches und ökologisch, sozial und global ausgerichtetes Denken.

Gerade in Zeiten einer fast schon übermäßigen betriebswirtschaftlichen Fixierung, einer überbordenden Effizienzdebatte und einer reinen Kostenbetrachtung ohne Berücksichtigung des individuellen, sozialen, ökologischen, ökonomischen und globalen Nutzens einer Maßnahme, einer zunehmend oberflächlicher werdenden Kultur und sich verschärfenden ökologischen Problemen und globaler Ungerechtigkeit hat eine auf eine Stärkung der Persönlichkeit ausgerichtete wertebasierte und werteverfestigende Maßnahme eher eine wachsende Bedeutung, als dass sie verzichtbar wäre.

Ich wünsche mir eine entsprechende Einsicht und Überzeugung jetzt und in Zukunft bei allen Entscheiderinnen und Entscheidern.

Lieber Hinrich, Du verlässt zwar jetzt die FÖJ-Betreuung, aber so wie ich Dich kenne, wirst Du Deine innere Bindung nicht verlieren und auf andere Weise und auf anderen Ebenen dem FÖJ weiter dienlich sein.

Auch dafür wünsche ich Dir einen schönen Unruhestand.

Du hast diesen Generationswechsel gut vorbereitet und Deine Nachfolge gesichert. Sicherlich wird es in Zukunft bei anderen Verantwortlichen vielleicht etwas andere Nuancierungen geben, aber der „Markenkern“ des FÖJ in Schleswig-Holstein wird erhalten bleiben. Auch damit ein gutes Beispiel für den „echten Norden“.

Lieber Hinrich, Dir gebührt für Deine jahrzehntelange Arbeit für das FÖJ und für die jungen Menschen, von denen uns schon viele in verantwortlichen Funktionen wieder begegnet sind, was durchaus Hoffnung macht, so viel Dank und Anerkennung dass man das mit schlichten Worten gar nicht ausdrücken kann.

Du hast Dich um das Land, um das Projekt und um die jungen Menschen verdient gemacht!

Ich wünsche Dir für Deine Zeit nach dem FÖJ alles Gute, Gesundheit und Glück. Möge Dir dabei das Wissen um Deine erfolgreiche Arbeit und die vielen guten Erinnerungen an wunderbare Menschen und wunderbare Projekte ein steter Quell der Zufriedenheit und Kraft sein.

Dem FÖJ wünsche ich auch weiterhin eine nachhaltige Existenz als Instrument der Persönlichkeitsentwicklung und Wertebildung und eine nachhaltige Wirkung als ein Element zur Vermittlung des notwendigen Nachhaltigkeitsdenken in allen Ebenen und Sektoren der Gesellschaft, der Politik, der Verwaltung, der Wirtschaft, des Bildungssystems usw..

Wenn es das FÖJ noch nicht gäbe müsste es vor dem Hintergrund der aktuellen Entwicklungen und Risiken jetzt dringend erfunden werden.

Da glücklicherweise viele Menschen in weiser Voraussicht dieses Instrument bereits vor langer Zeit, erdacht, konzipiert und eingeführt haben, gilt es jetzt vor allem, dieses Instrument klug zu nutzen und intelligent weiter zu entwickeln.